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Bye-bye, Darmstadt!

Das Desaster gegen den FC Augsburg erinnerte ein bisschen an Brasilien-Deutschland 2014 – nicht schlimm, jetzt steigen die Lilien eben wieder ab

Foto: Imago / Jan Huebner

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Es ist womöglich zu viel der Ehre für den SV Darmstadt 98, ich sag's trotzdem: Am Wochenende habe ich während des Spiels der Lilien gegen Augsburg an die WM 2014 denken müssen. Also an das 1:7 der Brasilianer im Halbfinale gegen Deutschland. Ich beobachtete am Böllenfalltor ähnliches Abwehrverhalten, ich sah in die gleichen seelenschmerzverzerrten Gesichter, und ich fühlte dasselbe Mitleid mit den Unterlegenen. Nur dass die diesmal Karic, Gjasula und Schuhen hießen und nicht Julio Cesar, Marcelo und David Luiz.

0:5 stand es nach 29 Minuten, 0:6 am Ende. Die Darmstädter haben sich bestimmt gefühlt wie ganz Brasilien am 8. Juli 2014. Beide mussten bekanntermaßen nach ihrem Desaster absteigen, die Seleção aus dem Fußballhimmel, Darmstadt ereilt dieses Schicksal in echt.

Trainer Torsten Lieberknecht war jedenfalls "erschüttert", Präsident Rüdiger Fritsch berichtete von einem wahren "Albtraum", Torwart Marcel Schuhen spürte einen "kompletten Schlag in die Fresse". In diesen Sätzen steckt so viel Hoffnung wie Tempo in Mats Hummels.

Der Konjunktiv, der einen Klassenerhalt von Darmstadt 89 beschreibt, muss erst noch erfunden werden.

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Irgendwie hat das aber auch was Beruhigendes in wilden Zeiten. Denn die Bundesliga spielt gerade verrückt genug. Oben in der Tabelle ist alles neu – die Bayern brauchen ein Fernglas, um Leverkusen zu sehen –, unten ist ebenfalls alles anders, dort stehen unerwartet Köln und Mainz. Gut, dass wenigstens eine Mannschaft tut, was man von ihr erwartet: Darmstadt 98 rückt freiwillig in die zweite Liga.

Wie konnte es nur so weit kommen? Ich meine damit nicht den Abstieg 2024, sondern den Aufstieg 2023. Darmstadt in Liga eins ist ein bisschen wie diese Bonusgutscheine, die man an der Supermarktkasse bekommt. Nett, aber irgendwie unnötig. Ich sage das mit größtem Respekt, aber es gab halt viel klangvollere Namen in Liga zwei: St. Pauli, HSV, Düsseldorf, Nürnberg. Doch es musste ja Darmstadt sein, ein Klub ausgerechnet aus einer Region, die eh schon platzt vor Erstligafußball.

Standpauke auf dem Platz: Desolate Lilien bringen Fans gegen sich auf
Der SV Darmstadt 98 zeigt gegen den FC Augsburg eine inakzeptable Leistung und liegt bereits nach 30 Minuten mit 0:5 zurück. Im Stadion gibt’s erst Pfiffe und Wut, dann entsetztes Schweigen. Nach Schlusspfiff kommt es zu einer bemerkenswerten Szene.

Liebe Fans der Lilien, ich wünschte, ich könnte etwas mehr Optimismus verbreiten. Aber ihr seid Letzter. Letzter der Hinrunden-, Letzter der Rückrundentabelle. Eure Spieler laufen zu wenig, und sie kassieren mit Abstand die meisten Gegentore.

So leid mir's tut, niemand wird auch nur einen Tennisball werfen, nur weil ihr wieder Zweitligist seid.

Nehmen wir es positiv: Ab jetzt ist alles eine einzige fantastische Abschiedstour. Es sei denn natürlich, ihr gewinnt die beiden nächsten Spiele gegen RB Leipzig und Bayern München.

Kleiner Scherz.

Bye-bye, Darmstadt!

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