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Die halbe Liga im Tiefschlaf - na danke, DFB!

Foto: Lars Baron / Getty Images (OF)

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Von Alex Steudel

Gestern musste ich an einen der Lieblings-Weihnachtsvierteiler meiner Kindheit denken. Er heißt "Zwei Jahre Ferien" und lief einst im ZDF. Schon der Titel klang damals für den lustlosen Grundschüler Steudel sehr anziehend und ließ ihn von einer schöneren Welt ohne Pflichten und Lehrer träumen.

Vielleicht haben sich ja unsere Bundesligafußballer, zumindest die WM-befreiten, ähnlich gefühlt, als sie Mitte November zum letzten Mal die Bälle in den Schrank sperrten, um ein Sabbatical beim vollem Lohnausgleich zu starten, dachte ich gestern. Rekordverdächtige zehn Wochen ruhte nämlich die Bundesliga, und das haben wir jetzt davon.

Wegen der guinessbuchreif langen Winterpause befand sich zum Re-Start die halbe Fußballgesellschaft noch im Wintertiefschlaf - von Joshua Kimmich über Werder Bremen, von Hertha BSC bis SC Freiburg, von BVB-Schlotterbeck bis Rafal Gikiewicz war republikübergreifend Urlaubsmodus angesagt. Ergebnisse lauteten mitunter abenteuerlich 7:1, 4:3 oder 6:0, viereinhalb Tore fielen im Schnitt pro Spiel, weil so mancher Kicker nach dem Anpfiff wirkte wie ich früher als Student, wenn nach monatelangen, pernod-cola-schwangeren Sommersemesterferien am ersten Vorlesungsmontag um 7 Uhr morgens der Wecker klingelte: Ähm, wo bin ich? Und wer bin ich? Und was mach' ich hier?

Ja, der 16. Spieltag der Saison 2022/23 wirkte ein bisschen, als wäre unser Oberhaus eine Operettenliga. Oder ein lustiges Musical: Mamma Mia!

Nun kann man die vielen erzielten Tore und die damit einhergehende tolle Unterhaltung auch gut finden, ich find das alles ein bisschen peinlich. Erst lässt man mich monatelang warten und bucht trotzdem Gebühren für DAZN-, Sky- und Co.-Abo von meinem Konto ab, und dann kommt wie bei einer alten Ketchupflasche alles auf einmal raus – aber leider ziemlich wässrig, also nicht in der gewohnten Qualität.

Illustration: Jens Uwe Meyer / bergfest.at

Kein Wunder liegen die Spieler nach so langer Zeit gedanklich noch im Strandkorb. Siehe Augsburg-Torwart Gikiewicz, der beim Dortmunder Treffer zum 2:1 – mein persönlicher Wochenendhöhepunkt – nicht mal mehr das Spiel verfolgte, sondern gut sichtbar die Tribüne nach Familienangehörigen absuchte.

Christian Heidel, Sportchef bei Mainz 05, hatte das Durcheinander übrigens schon im August angesprochen: Die Terminplanung sei "schon fast Comedy" äußerte er damals. Heute muss man fragen: Wieso eigentlich "fast"?

Da sag' ich nur: Danke, DFB und DFL, für euren tollen deutschen Sonderweg!

Denn das Ganze hätte wirklich nicht sein müssen, die Top-Ligen kicken längst wieder und machen damit auf allen Kontinenten Werbung für sich, während die Welt zuletzt gedacht haben musste, unsere Bundesliga habe nach der WM-Blamage aus Scham den Betrieb komplett eingestellt.

Ich habe nachgesehen, kein Scherz: Zwischen WM-Finale und Re-Start zum Beispiel der englischen Premier League lagen genau acht Tage. Unsere WM-Spieler sonnten sich da noch am Strand – die lange Pause war eine Folge dieses ständig geäußerten Mitleids und des Pamperns auf höchstem Niveau. Mir klingt es immer noch in den Ohren, das Gejammer wegen überfüllter Terminpläne. Gottchen, dabei betrifft das Thema Überlastung die meisten Bundesligaspieler gar nicht.

Zum Schluss noch was fürs Protokoll: Die Winterpause der momentan ziemlich erfolgreichen deutschen WM-Handballer wird in etwa halb so lange dauern, wie die der Fußballer gedauert hat. Ich sag' ja nur.

Das neue Steudel-Buch ist da! Titel: "Die nächste Kolumne ist immer die wichtigste". 276 Seiten für 14,95 Euro. Wer das Buch sofort will: Hier bestellen! Wer ein signiertes Exemplar bevorzugt: Mail an post@alexsteudel.de.

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