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Aufgeben als Muster: Klinsmann wieder auf der Flucht

Inhaltsverzeichnis

Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!

Seit mehr als 25 Jahren begleite und analysiere ich Jürgen Klinsmann. Verstanden habe ich ihn nie richtig. Auch jetzt nicht. Aber seine Wirkung auf die Öffentlichkeit ist daran abzulesen, welche Wellen gestern sein Rücktritt  bei Hertha BSC auslöste. Die Debatte um den eigenwilligen Schwaben wird uns noch ein paar Tage beschäftigen. Deshalb hat den Aufmacher heute bei Fever Pit'ch ein Schwabe geschrieben. Vielleicht versteht er Klinsi.

Einen süßsauren Mittwoch wünscht

Euer Pit Gottschalk

Aufgeben als Muster: Klinsmann wieder auf der Flucht

Jürgen Klinsmann tritt bei Hertha BSC zurück

Jürgen Klinsmann tritt als Hertha-Trainer zurück und sorgt mit seinem plötzlichen Abgang für eine Bestätigung seiner Kritiker. Ein Kommentar von Alex Steudel.

Das Unternehmen "Tedi" ist seit 2018 Hauptsponsor von Hertha BSC.

Spätestens heute müsste der Einzelhändler mit Sitz in Dortmund eigentlich sein ganzes Geld zurückverlangen. Beide Seiten stünden für Werte wie "Einsatzbereitschaft, Teamgeist und Bodenständigkeit", bejubelt ein PR-Text auf der Homepage des Hauptstadtklubs die Zusammenarbeit. Jeder kann das nachlesen. Ist aber leider falsch.

Wenn Hertha gerade etwas nicht ist, dann: einsatzbereit. Von Teamgeist geprägt. Und schon gar nicht ist Hertha: bodenständig.

Der Klub, der mit den fetten Schecks von Neu-Investor Lars Windhorst durchstarten soll, der diesen Winter Spieler für sage und schreibe 80 Mio. Euro holte, der Klub, der Berlin reich und sexy machen will, ist erst mal hart gelandet. Und unsexyer denn je. Der Hertha-Kader wirkt nach chirurgischen Eingriffen seines neuen Ex-Trainers Jürgen Klinsmann innerlich zerrissen und dümpelt auf Platz 14. Einsatzbereit ist etwas anderes.

Er wollte Technischer Direktor werden

Mehr Geld, Kompetenzen und ein Posten, den es so bei Hertha  noch nicht gab: Das waren Jürgen Klinsmanns Wünsche.

Im Grunde verkörpert Hertha damit zurzeit all das, was Gegner der Kommerzialisierung des Fußballs immer wieder anprangern: Sobald das Geld regiert, sagen sie, geht der Anstand verloren und alles den Bach runter. Chef-Bachruntergeher ist seit diesem Dienstag Klinsmann. Er kam nach Berlin, sah - und ging gleich wieder.

Man fragt sich wirklich, was mit dem Fußball los ist. Erst vor zwei Wochen ehrten sie Friedhelm Funkel in Düsseldorf: Er ist dort Trainer des Jahres. Einen Tag später feuerten ihn seine Bosse. Neu-Rentner Funkel ahnte das schon, als er merkte, dass keiner seiner Chefs zur Ehrung kam.

Aus heutiger Sicht muss man sagen: Immerhin hatten die Fortuna-Chefs wenigstens die Größe, sich Stunden vor der Kündigung nicht auch noch bei ihm einzuschleimen.

Mehr als 9 1/2 Wochen: So lief seine Amtszeit

Jürgen Klinsmann hört nach zehn äußerst kurzweiligen Wochen auf. Eine Rekonstruktion seiner Amtszeit als Hertha Trainer.

So ähnlich war's dafür jetzt bei der Hertha: Am Montagnachmittag hatte Jürgen Klinsmann seinen üblichen Auftritt bei Facebook live. Bester Laune und vor einer weißen Schrankwand sitzend, erläuterte er den Fans die Fortschritte, die seine Hertha mache. Klinsmann lachte viel, war locker drauf und beantwortete sogar kritische Nachfragen. Einmal lobte er den "tollen Zusammenhalt innerhalb der ganzen Mannschaft".

Nur er selbst hielt nicht zusammen. Etwa 16 Stunden später trat der kalifornische Schwabe zurück. Und das ist Wasser auf die Mühlen jener Klinsi-Kritiker, die ihn für jemanden halten, der immer ein falsches Spiel spielt, und der stets entweder an seiner Sturheit scheitert (siehe Trainerzeit beim FC Bayern) oder keine Lust hat, seine Projekte zu Ende zu bringen (siehe Abschied als Nationaltrainer nach der WM 2006).

Hertha BSC drohen Grabenkämpfe

Beim Abschied von Hertha deutet Jürgen Klinsmann interne Unstimmigkeiten an. Dem Klub drohen Grabenkämpfe.

Dabei halten die anderen, die Fans des Mannes, der als Spieler Weltmeister wurde, so große Stücke auf ihn. Aber was sollen sie jetzt denken?

Wie beantwortet er die Fragen, die er mit seiner Flucht aufgeworfen hat: Wie passt der Klinsmann, der bei der WM 1990 Nationalheld wurde, als er nach der Roten Karte für Sturmkollege Rudi Völler gegen die Niederlande bis zur totalen Erschöpfung alles gab, der keine Tausendstelsekunde ans Aufgeben dachte, wie passt dieser Klinsmann zum Klinsmann, der nichts zu Ende bringt?

Pressestimmen zum Klinsmann-Rücktritt

Die internationale Presse reagiert überrascht und kritisiert den Ex-Bundestrainer für die Art des Rücktritts.

Womöglich gar nicht. Der 55-Jährige veröffentlichte am Dienstagmorgen jedenfalls einen lapidaren Abschiedsbrief auf Facebook, den er auch noch mit einem "Ha-Ho-He" abschloss. Das klang für wahre Hertha-Fans wie blanker Hohn.

Der Hertha-Schlachtruf "Ha-Ho-He - Hertha BSC" ist nämlich Tradition pur. Er entstand vor über 92 Jahren, also vor fast 34.000 Tagen.

"Ha-Ho-He" ist das glatte Gegenteil von Klinsmann. Der beendete das Kapitel Hertha-Trainer nach 76 Tagen.

Die wichtigsten Kommentare zum Klinsmann-Aus

Ego-Trip zum Abschied

Sie haben ihm fast jeden Wunsch erfüllt, Millionen für Stars ausgegeben. Ein Kommentar von Stefan Hermanns.

Nur Hollywood-Zauber in Berlin

Der Zauber, den Jürgen Klinsmann bei Hertha BSC verbreitet, war ein fauler. Eine Analyse von Sebastian Stier.

Hinter dem Aus steckt ein Machtkampf

Der Trainer sagt, er spüre nicht genug Vertrauen. Überraschend kommt der Schritt nicht. Eine Analyse von Lars Gartenschläger.

Klinsmanns Chaos-Erbe

Der seltsame Klinsi hinterlässt Fragen: Was passiert mit  Manager Preetz? Ein Kommentar von Jakob Böllhoff.

Der Totalschaden

Jürgen Klinsmann half Hertha kurz aus der Bedeutungslosigkeit - aber zu welchem Preis? Ein Kommentar von Lukas Rilke.

Drei Szenarien für die Hertha-Zukunft

Wie aus dem Nichts überrumpelte er alle Beteiligten. Die Lage in Berlin ist prekär. Eine Analyse von Benjamin Zurmühl.

Alle sind Verlierer

Nach dem Abgang steht nicht nur Jürgen Klinsmann selbst als Verlierer da. Ein Kommentar von Matthias Brügelmann.

Heute im Fernsehen

18.30 Uhr, DAZN: Pokal Frankreich, Dijon - PSG

Was sonst noch so los ist

"Das war der schlimmste Moment meiner Karriere"

Große Fragerunde bei Twitter mit Weltmeister Toni Kroos: Unter dem Hashtag #asktoni durften Fußballfans wieder einmal dem Nationalspieler Fragen stellen.

Große Sorge um Fußball-Legende Pelé

Er ist ein Idol für Generationen: Pelé stand lange auf der Sonnenseite des Lebens. Doch nun sorgt sich Brasilien um ihn.

Schalke: Erneute Rassismus-Beschwerde

Auch bei Schalkes Heimspiel gegen Paderborn soll es rassistische Beleidigungen gegeben haben. Dem Verein liegen Hinweise vor.

TV-Rechte: Was ich mir 2021 wünsche

Von Alex Steudel

Diese Woche hat das Vergabeverfahren für die TV-Bundesligarechte ab 2021 begonnen. Ich bin ja so gespannt. Bald werde ich wissen, was ich dann alles abonnieren muss. Aktuell habe ich ein DAZN-Abo und ein Sky-Abo und zahle dafür über 350 Euro im Jahr. Außerdem bin ich Fördermitglied bei den Öffentlich-Rechtlichen. Für das GEZ-Abo zahle ich nämlich nur und nutze es nie, weil im GEZ ja nix kommt. Erst 2022 ändert sich das, also an einem Tag pro Jahr, wenn das Champions-League-Finale im ZDF läuft. Heißt für mich: Ich zahle 210 Euro jährlich für ein einziges Spiel.

Natürlich wünschen sich viele Fans aus Kostengründen, dass ab 2021 ein Anbieter alle Rechte hat. Also Champions League und Europa League, DFB-Pokal, Bundesliga, plus die vier anderen europäischen Topligen: Italien, Spanien, England und die Liga, in der der HSV spielt.

Ich habe mir sagen lassen, dass das nicht geht, weil dann das Kartellamt einschreiten müsste. Ich frage mich, wo das Kartellamt war, als die Bayern zum siebten Mal in Folge Meister wurden.

Ich vermute, dass es 2021 noch komplizierter wird. Nix sparen. Die jüngsten Erfahrungen lassen den Schluss zu, dass Fans künftig immer mehr Abos abschließen müssen. Bei der Champions-League-Rechtevergabe kam zum Beispiel ein Anbieter zum Zug, bei dem ich zuletzt Socken bestellt hatte.

Alle Augen auf Sky: Kampf um die Zukunft

In Sachen Champions-League-Rechte leer ausgegangen – jetzt geht es darum, nicht auch noch das größte Zugpferd zu verlieren.

Der Gedanke dahinter ist natürlich gut, Amazon-Boss Jeff Bezos ist halt ein schlauer Fuchs. Er weiß: Wenn Borussia Dortmund spielt, kann ich zeitgleich auf demselben Kanal Tonnen von Büchern über Abwehrtaktik und Sportpsychologie verkaufen.

Ich finde, Fußballsender und Medienmarken sollten beim Rechteerwerb viel mehr darauf achten, welcher Klub zu ihnen passt. Und die DFL sollte lauter kleine Einzelpakete anbieten. Die Spiele eines besonders jungen Bundesliga-Teams wie Mainz 05 könnten vom KIKA erworben werden. Die eines alten Teams (also Union Berlin oder Bremen, wenn Pizarro spielt) würden im ZDF laufen, und zwar sonntags vor dem Traumschiff. Die Halbzeitshow präsentiert Kukident, der Zwei-Phasen-Reiniger.

Begegnungen des FC Bayern müssten auf ONE kommen und vom Magazin "Glamour" präsentiert werden, alle Spiele der Aufsteiger kommen auf ZDFneo, und der Vizemeister kickt immer auf RTL 2. Die Rechte an Heimspielen des BVB könnte statt Amazon auch "Psychologie heute" erwerben – und die von Hoffenheim kommen auf "Landlust-TV".

Ausbildungsklubs wie der SC Freiburg, die vom Verkauf ihrer Spieler leben? Holt sich der Homeshopping-Kanal ("Schlagen Sie zu, bevor ihn Ihr Nachbar kauft"). Der History Channel sichert sich die Exklusivrechte am 1.FC Köln, zuletzt Meister vor 42 Jahren. Und der HSV, dessen Fans seit Jahren von Glaube und Hoffnung leben, spielt dann exklusiv auf Bibel-TV.

Alle mal herhören!

Werner Hansch zurück am Mikrofon

Werner Hansch wird ein Spiel von Borussia Dortmund als DAZN-Kommentator begleiten. Damit reiht sich Hansch in eine Reihe von Reporterlegenden ein.

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