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0:1 gegen Frankreich: Löw muss dringend umdenken

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Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!

Vorm Frankreich-Spiel verriet Timo Werner seinen lässigen Umgang mit der Reservistenrolle bei Bundestrainer Joachim Löw. Er nicht in der Startelf? Dann halt nicht, meinte der Nationalstürmer in der Pressekonferenz.

Ich stelle mir Lothar Matthäus oder Jürgen Kohler in einer ähnlichen Situation vor. Die zwei hätten ihre Degradierung als Kriegserklärung begriffen. So verbissen und erfolgsbesessen waren sie. Und nicht nur sie.

Timo Werner dagegen, immerhin Champions-League-Sieger, verströmte den Ehrgeiz einer Parkuhr: Geld reingestopft und dann warten, dass die Zeit abläuft. Mich macht sein ausgesprochener Schlendrian wahnsinnig.

Aber dadurch verstehe ich das 0:1 gegen Frankreich ein bisschen besser.

Einen aufgerüttelten Mittwoch wünscht

Euer Pit Gottschalk

0:1 gegen Frankreich: Löw muss dringend umdenken

"Können alles gerade biegen"

Trotz der Niederlage gegen Weltmeister Frankreich hat Bundestrainer Joachim Löw die Leistung der deutschen Mannschaft vor allem kämpferisch gelobt. Er verwies auch auf die verblieben beiden EM-Gruppenspiele gegen Portugal und Ungarn, in denen das DFB-Team nun besonders gefordert ist.

Von Pit Gottschalk

Das scheinbar überschaubare 0:1 zum EM-Auftakt gegen Frankreich ist brandgefährlich für die deutsche Nationalmannschaft. Niemand sollte sich einbilden, dass eine knappe Niederlage gegen den Weltmeister durchaus möglich und kein Weltuntergang ist. Das Ergebnis allein ist nicht das Beunruhigende. Sorgen bereitet die Spielweise.

Wenn nach einer guten Stunde der erste Eckball herausspringt, hat man einen sicheren Indikator dafür, dass man seinen Gegner nicht unbedingt in aussichtslose oder verzweifelte Abwehraktionen getrieben hat. Während des Spiels, nicht mal beim Aufbäumen in der zweiten Halbzeit, war eine Handschrift des Trainers zu lesen. Die Franzosen schwitzten nicht wirklich.

"Mich kotzt das an"

Deutschland kassiert gegen Frankreich erstmals bei einer EM eine Niederlage im ersten Gruppenspiel. Robin Gosens hadert.

Die Harmlosigkeit im Aufbauspiel äußerte sich in zu vielen Sicherheits- und Querpässen, in zu wenigen Rochaden zwischen Flügen und Halbpositionen und in permanenter Abwesenheit im Strafraum. 61,7 Prozent Ballbesitz ist brotlose Kunst, wenn man vor der Kiste nicht zum Abschluss kommt. Die Franzosen hatten doppelt so viele Torchancen wie Deutschland.

Die Niederlage muss sich Joachim Löw selbst ankreiden. Jeder versteht ja, dass die Zeit zum Einspielen knapp war. Dann baue ich mir aber kein Best-Of am Reißbrett, sondern nehme die Achse, die eingespielt ist. Neuer kennt Hummels kennt Kimmich kennt Müller und mittendrin Kroos: Diese Achse hätte Stabilität und Orientierung verliehen.

Um Hummels Willen! Wir schießen uns selbst ab

Dieses Geschenk nimmt der Weltmeister dankend an! Deutschland serviert Frankreich den 1:0-Sieg zum EM-Auftakt auf dem Silbertablett.

Stattdessen wird Joshua Kimmich auf die rechte Seite bordert, das Mittelfeld Ilkay Gündogan und Toni Kroos überlassen, die Last auf Kai Havertz vorne abgelagert. Wie soll das plötzlich funktionieren? Kimmich als Taktgeber in der Zentrale, gerne im Wechselspiel mit Kroos, ist unersetzlich. Er hat's bei den Bayern immer und immer wieder bewiesen. Schaut Löw nicht hin?

Die Bayern können sich bei ihrer Personalqualität Kimmich-Experimente auf rechts erlauben. Löw nicht. Er hat beim entscheidenden Gruppenspiel am Samstag gegen Portugal keine andere Wahl, er braucht eine verlässliche Achse mit Kimmich als Dreh- und Angelpunkt. Ein weiterer ideenloser Auftritt führt nur zur nächsten Blamage bei einem Turnier.

Was zur Weltspitze fehlt

Beim 0:1 gegen Frankreich überzeugt die Einstellung von Joachim Löws Team. Die Niederlage der Deutschen zeigt aber auch, was zur Klasse der Franzosen fehlt.

Heute im Fernsehen

12 Uhr, Sport1: EM Aktuell

15 Uhr, MagentaTV: Finnland - Russland

18 Uhr, ARD: Türkei - Wales

21 Uhr, ARD: Italien - Schweiz

23.15 Uhr, Sport1: EM Aktuell

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Almuth Schult als TV-Expertin "jetzt schon meine Heldin"

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Von Alex Steudel

Auf manche Dinge ist einfach Verlass: Es war klar, dass bei dieser EM gleich wieder die Welt untergeht, sobald eine Frau über Fußball spricht, und es sich dabei nicht um den Hinweis handelt, dass es nach dem Spiel aber gleich Abendessen gibt.

Ich nenne es das Claudia-Neumann-Syndrom.

Neumann ist ZDF-Sportreporterin und das Lieblingsfeindbild des alten weißen Mannes. Was sie über Fußball sagt, ist erstmal falsch. Dabei ist Neumann die Spitze des Eisbergs. Immer mehr Frauen werden im Fernsehen als Expertinnen eingesetzt, weshalb einige Männer ihr Hobby in Gefahr sehen und hochkonzentriert hetzen.

Interessanterweise haben die Frauen, die ich bisher gesehen/gehört habe, etwa die titelbeladene Welttorhüterin Almuth Schult in der ARD, einen sehr guten Job gemacht ("Wenn du mit dem Außenrist den eigenen Mann abschießt, dann sieht das einfach nur Scheiße aus"). Sogar einen besseren als mancher Mann.

Ich verzichte mal auf ausschweifende Anklagen und zitiere keine Beleidigungen aus dem Netz. Stattdessen lieber ein paar Tipps gegen Alltags-Sexismus, der ja in unterschiedlicher Ausprägung in fast allen Männern steckt.

Zum Beispiel einfach mal überlegen, wie man reagiert hätte, wenn die Aussage von Claudia Neumann, die man gerade eben noch total bescheuert fand, von einem Mann gekommen wäre. Oder noch besser: Ein ganzes Spiel lang bei jeder Aussage, Analyse, bei jedem Torschrei von Béla Réthy oder Oliver Schmidt überlegen, wie man jetzt reagieren würde, wenn es die Neumann gewesen wäre. Ich mache sowas dauernd, das funktioniert super und ist entlarvend.

Noch ein Trick zum Runterkommen? Mal ernsthaft darüber nachdenken: Wie viele Frauen waren in den letzten vier, fünf Jahren eigentlich am Absturz des HSV beteiligt?

Männer reden im Fernsehen steudelstatistisch gesehen genau so viel Mist über Fußball wie Frauen. Vielleicht sogar mehr. Bei der EM verwechselte ein Reporter (Mann!) kürzlich die Nationalspieler Halstenberg und Klostermann. Gestern gegen Frankreich musste Béla Réthy ständig von Nebenmann Sandro Wagner eingefangen werden.

Und ist euch schon mal aufgefallen, dass manche männliche Experten versuchen, sich durchzumogeln? Sie denken: Ich war Profi, ich bin super, ich muss mich nicht vorbereiten, das kann ja wohl alles nicht so schwer sein. Und dann merkt jeder, wie schwer es ist. Also jeder außer der Experte.

Früher gab's Günter Netzer. Der war sehr unterhaltsam bei kompletter Ahnungslosigkeit, was den aktuellen Zustand des argentinischen Fußballs angeht, um ein Beispiel zu nennen. Deswegen sagte er, wenn man ihn auf Argentinien ansprach, immer Sätze wie: "Von den Südamerikanern weiß man ja, dass sie spielfreudig sind."

ZDF reagiert offensiv auf sexistische Hetze

Claudia Neumann und Ariane Hingst kommentierten die Partie zwischen Belgien und Russland – und das passte einigen Zuschauern überhaupt nicht.

Der aktuelle ZDF-Experte Per Mertesacker wirkt auf mich auch latent unvorbereitet. Am Wochenende dozierte er ausführlich über die Schwierigkeiten, die der Belgier Kevin de Bruyne bei der EM mit seiner Gesichtsmaske haben werde. Er, Mertesacker, wisse das, er habe ja auch mal eine tragen müssen. Dann musste er sich von Jochen Breyer aufklären lassen, dass de Bruyne gar keine Gesichtsmaske brauche.

Ähnlich unvorbereitet wirkend, fragte Mertesacker in derselben Sendung seinen Nebensitzer und Mit-Weltmeister Christoph Kramer, auf welchem Platz Borussia Mönchengladbach eigentlich die vergangene Bundesliga-Saison abgeschlossen habe (Spoiler: Rang 8).

Man stelle sich mal vor, Claudia Neumann hätte vor laufenden Kameras so eine Frage gestellt.

Weltuntergang!

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