Heidenheim: Wenn Frank Schmidt entlassen wird, gehe ich auf die Straße

Fever Pit'ch-Kolumnist Alex Steudel über die Leiden des Heidenheimer Trainers

|29. Oktober 2025|
GER, 1. FC Heidenheim vs. Hamburger SV, Fussball, DFB Pokal, 2. Runde, Spielzeit 2025/2026, 28.10.2025

Foto: IMAGO/Eibner

Frank Schmidt in diesen Tagen ins Gesicht zu schauen, das tut schon weh. Der Heidenheimer Trainer sieht aus, als würden neue Pro-Aging-Produkte an ihm erprobt, und zwar mit großem Erfolg. Der Blick: traurig. Die Augensäcke: mächtig. Die Schultern: hängend. Die Körpersprache: desolat. Dieser Mann leidet. Gestern beim Pokal-Aus gegen den HSV sah er sogar Gelb-Rot. Schmidt ist mit den Nerven runter.

Jedesmal, wenn der 51-Jährige im Fernsehen eingeblendet wird, denke ich: Mensch, jetzt sieht der wieder zwei Jahre älter aus als vorhin!

Ich frage mich, wie man in Heidenheim leben und trotzdem so schnell altern kann. Die Antwort: Man arbeitet beim 1. FC Heidenheim, im gallischen Dorf des Fußballs. Wobei der Vergleich ein wenig hinkt, denn die Gallier verloren in 41 Asterix-Bänden nie, und die Heidenheimer verlieren neuerdings dauernd.

Im DFB-Pokal setzte es nun ein 0:1 gegen Hamburg, und in der Bundesliga sind sie nur deshalb Vorletzter, weil ihnen die Fußballgötter lasche Mönchengladbacher geschenkt haben.

In dieser Saison hat Frank Schmidts Mannschaft sechs von acht Bundesligaspielen verloren. Zuletzt ging sie in Hoffenheim unter – mit 1:3. Nur gegen Augsburg gewann man, aber das schafft ja jeder. Das ist so hart, denn Heidenheim durfte vor acht Monaten Jahren noch im Europacup spielen.

Meine größte Angst in diesen Tagen ist, dass sie Frank Schmidt irgendwann entlassen. Man würde dann von den „üblichen Mechanismen“ sprechen und „Ratlosigkeit der Klubführung“ meinen.

Wenn das passiert, gehe ich auf die Straße und protestiere, denn Schmidt ist unentlassbar und Kult. Gefühlt robbte er aus dem Kreißsaal direkt zum Trainingsplatz. Tatsächlich sitzt er seit dem 17. September 2007 auf der Trainerbank seiner Geburtsstadt, also schon 6617 Tage.

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Ich erspare den Fans des HSV die Info, wie viele Männer in den vergangenen 18 Jahren an den Bürsten ihrer Trainerwaschanlange hängengeblieben sind.

Heidenheim wäre im Falle einer Entlassung außerdem nicht mehr der letzte Ort der Welt, an dem so etwas Billiges einfach nicht passiert – uff d’r Schwäb’schen Alb sitzt der Trainer nämlich so fest im Sattel wie sonst eigentlich nur der Papst im Vatikan. Tief in mir drin hoffe ich, dass Schmidt eines Tages seine Augen auf der Heidenheimer Bank für immer schließt und der Teamdoktor in der Pressekonferenz sagt: „Na gut, er war ja auch schon 104.“

Was mir an Schmidt besonders gefällt, ist diese Fähigkeit zur Selbstkritik. Nach der Niederlage in Hoffenheim etwa sprach er von einem Rückschritt, statt die Sache schönzureden. Er sagte: „Ich überlege die ganze Zeit, wo mir da der Fehler passiert ist.“ Das war groß. Andere Trainer in solchen Situationen überlegen die ganze Zeit, warum die Mannschaft mal wieder zu blöd war, ihre geile Taktik umzusetzen.

Man muss Schmidt dafür lieben, dass er anders ist als andere Trainer – und den 1. FC Heidenheim dafür, der etwas andere Verein zu sein. Romantisch irgendwie. Ich hoffe, der Erfolg kommt entsprechend bald zurück, und Schmidts Augensäcke verschwinden.


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