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Was der Fußball vom Handball lernen kann

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Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!

Gestern bekam ich zu den wenigen Zeilen, die ich an dieser Stelle zum Handball verfasst hatte, überraschend viele Zuschriften. Die WM-Übertragungen treffen offenbar einen Nerv bei den deutschen Sportfans. Ich habe daraufhin meine Gedanken zu den Beobachtungen sortiert, die ich zum Auftreten der deutschen Handball-Nationalmannschaft gemacht habe, und für den Leitartikel heute aufgearbeitet. Die Überschrift verrät schon die Richtung: Vielleicht kann der Fußball vom Handball lernen. Es mag sein, dass ich übertreibe und manche Entwicklung im Fußball stellenweise zu kritisch sehe. Aber das soll dieser Newsletter ja sein: Input für eine ehrliche Diskussion. Ich meine: Die ist beim Fußball überfällig.

Einen runden Donnerstag wünscht

Euer Pit Gottschalk

Was der Fußball vom Handball lernen kann

Er schreit. Ordnet an. Wird unterbrochen von seinem Kapitän, der lautstark Kampfparolen ausgibt. Es ist beim Handball jedesmal der Blick in den Intimbereich einer Sportmannschaft, wenn Bundestrainer Christian Prokop beim Time-Out seine Spieler zur spontanen Lagebesprechung in den Kreis ruft. Auch gestern im WM-Spiel gegen Spanien.

Die TV-Kameras und Richtmikrofone fangen jede Mimik und jedes Wort hautnah ein und senden live in jedes Wohnzimmer, wie es um die Spieler steht. Keiner von denen, die im Mannschaftskreis letzte Kräfte bündeln, stört sich daran. Der Zuschauer erlebt Emotion pur: Handball ist dann packend und zum Greifen nahe.

Man stelle sich dagegen beim Fußball vor, Fernsehkameras kämen bei einer Mannschaftsbesprechung von Borussia Dortmund oder Bayern München auch nur in die Nähe der Umkleidekabine: Lucien Favre und Niko Kovac ließen einen Sperrriegel aus Sicherheitsleuten aufmarschieren. Der Fußball schottet sich aus Prinzip ab. In Italien und Spanien mehr als in Deutschland.

Kein Wort darf den Wirkungskreis eines Fußballtrainers verlassen. Wenn ein TV-Team an der Ersatzbank mehr aufschnappt, als es sollte, und seien es nur letzte taktische Anweisungen ans kickende Personal, ist der Teufel los. In Südeuropa halten sich Trainer und Spieler sogar die Hand vor den Mund, damit kein Lippenleser Fragen nach dem Wetter von morgen entschlüsselt.

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Der Handball dagegen schenkt diese Nähe. Auch auf die Gefahr hin, dass Unsinn erzählt, die Körpersprache des Trainers analysiert, die Verzweiflung von Spielern millionenfach entlarvt wird. Ja, das kann passieren. Bundestrainer Prokop wurde bei der Europameisterschaft 2018 kritisiert, weil sein Auftreten im Spielerkreis schlaff wirkte. Jeder konnte es sehen.

Der Vergleich offenbart das Selbstverständnis beider Sportarten. Der Fußball muss nicht mit demonstrativer Anteilnahme punkten. Der Handball schon. Gebannt schaut die Nation dieser Tage zu, wie Leidenschaft auf dem Handballfeld zu Toren führt. Reicht es Freitag nicht zum Einzug ins WM-Finale, so wissen die Deutschen trotzdem: Die Jungs haben alles gegeben.

Dieses Miterleben-Können hätte man schon gerne beim Fußball. Aber daraus wird nichts. Beim Deutschen Fußball-Bund betrachten sie den aufkeimenden Handball-Boom mit maximaler Gelassenheit. „Die Fußball-Regionalliga auf Sport1“, hört man von zuständiger Seite, „hat in ein paar Wochen wieder eine höhere Einschaltquote als die Handball-Bundesliga.“

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ kennt die Machtverhältnisse im deutschen Sport natürlich und stellt dennoch mit gewisser Genugtuung und Sympathie fest: „Keiner der Handballer wirkt wie ein Produkt einer millionenschweren Vermarktungsindustrie.“ Weder beim Time-Out noch hinterher, wenn sich in der Interviewzone die Wege mit dem Gegner kreuzen.

Beim Fußball ist das anders. Zu oft zeigen Fernsehsender die Spieler, wie sie beim Verlassen des Mannschaftsbusses auffällige Kopfhörer tragen, um nur ja nicht angesprochen zu werden. Wohlwollend kann man sagen: Sie sind im Tunnel, um sich aufs Wesentliche, nämlich den Sport, zu konzentrieren. Dass Fannähe und Konzentration kein Widerspruch sein müssen, zeigen die USA.

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Sowohl beim Basketball als auch beim American Football dürfen Reporter vor und nach dem Spiel in die Umkleidekabine. Nach Spielende gibt man den Profisportlern eine Viertelstunde zum Runterkommen, dann werden die Kabinentüren geöffnet. Beide Seiten wissen, dass der jeweils andere einen Job zu erledigen hat, der zum gegenseitigen Nutzen ist.

Der Fußball kann durchaus mutiger beim Voyeurismus ins Innenleben einer Mannschaft sein. Beim DFB haben sie ja beste Erfahrungen gemacht, als sie 2006 und 2014 Filme im WM-Quartier drehten. Plötzlich waren die Spieler keine Millionäre in kurzen Hosen mehr, sondern Jungs, die Unfug im Kopf haben, aber professionell sind. Fans sahen: unsere Jungs.

Natürlich waren diese Aufnahmen, mit zeitlichem Abstand ausgestrahlt, klinisch gereinigt und von kompromittierendem Ballast befreit. Verfehlt haben die WM-Filme ihre Wirkung ebensowenig wie die Saison-Doku über den Trainer Pep Guardiola und Manchester City bei Amazon. Plötzlich versteht das Publikum, dass Erfolg von harter Detailarbeit kommt.

Der Blick hinter die Kulisse aus Sponsorenlogos und aufgesetzten Frage-Antwort-Phrasen täte der Fußball-Bundesliga durchaus gut. Die ständige Herorisierung von Fußballern vergrößert nur die Distanz. Dabei kann Nahbarkeit durchaus ein Wert sein, der dem Geschäftszweck dient. Man bindet sein Publikum. Man sieht’s beim Handball.

Heute im Fernsehen

20.45 Uhr, DAZN: League Cup, FC Chelsea - Tottenham Hotspur

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