Stammkonsumenten dieser Kolumne wissen, dass Mats Hummels hier zuletzt nicht immer, mit leichter Tendenz zu nie, gut weggekommen ist. Der Dortmunder gab mir zum Beispiel hin und wieder Anlass zu Hinweisen auf seine nicht vorhandene Schnelligkeit, was vor allem damit zu tun hatte, dass er recht langsam ist.
Man sieht es zwar mit bloßem Auge, ich kann das aber auch beweisen: Die in dieser Saison gemessene Hummels-Spitzengeschwindigkeit liegt bei 32,44 Stundenkilometern, er ist damit 3,53 km/h langsamer als der rekordschnellste Alphonso Davies. An einem Tag nähme ihm der Bayernspieler also 84,7 Kilometer, in einem ganzen Jahr 30922 km ab – anders ausgedrückt: Davies würde Hummels in einem nicht endenden Sprintrennen um die Welt alle 14 Monate überrunden.
Ich schweife ab. Ich will wirklich nicht weiter darauf herumhacken, schließlich schreibe ich diese Kolumne heute aus einem anderen Grund: Mats Hummels hat Großartiges geleistet!

Dass er Führungsspieler einer Mannschaft ist, die sich im Meisterrennen jetzt schon elfmal in Folge die Zähne am FC Bayern ausgebissen hat (er war nicht immer, aber meistens dabei) – geschenkt. Ich will darüber hinwegsehen, dass in der jüngeren Vergangenheit nur Deutschland beim ESC erfolgloser war als der BVB im Titelkampf.
Okay, eins vielleicht noch: Ich finde, dass man von einem Weltmeister mehr erwarten sollte als von den anderen Spielern. Und ich stehe ja mit meiner Meinung nicht allein da, alle Leser haben meiner Kritik an Hummels immer zugestimmt, also alle bis auf die 100 Prozent, die Dortmund-Fans sind und mich wüst beschimpften, und alle bis auf ein paar der anderen Leser.
Nun besteht die Aufgabe des Kolumnisten nicht nur darin, den Finger oder die ganze Hand in die Wunde zu legen, sondern diese auch ab und an zu verarzten. Deshalb will ich wie gesagt heute eine Lanze für den Weltmeister von 2014 brechen und auf die positiven Aspekte seiner langen Karriere hinweisen, und zwar unter besonderer Berücksichtigung des vergangenen Spieltages.
Am Samstag hat mich Mats Hummels tatsächlich schwer beeindruckt. Ich meine damit natürlich nicht seinen katastrophalen Stellungsfehler beim Freiburger 1:1, ich meine seinen Auftritt als Ganzes. Hummels führte eine Mannschaft, die schon 1:2 hinten lag, zum 4:2-Sieg, und er schoss dabei zwei Tore. Zwei. Als Innenverteidiger.
Ich habe gelesen, dass Hummels jetzt der älteste Bundesliga-Doppeltorschütze in der Vereinsgeschichte der Dortmunder ist – mit 34 Jahren und 274 Tagen Lebenszeit, wovon er einen Großteil beim FC Bayern und bei Borussia Dortmund zubrachte.
Außerdem stellte Hummels in Freiburg einen noch unglaublicheren Rekord ein: Er hat jetzt 16 (!!) Spielzeiten in Folge ein Bundesliga-Tor erzielt. Vor ihm haben das nur Olaf Thon, Michael Zorc, Holger Fach, Bernd Nickel und Willi Neuberger geschafft.
Das muss man sich vorstellen. 16 Saisons am Stück mindestens ein Bundesligator schießen, das haben nicht mal Lionel Messi oder CR7 hinbekommen.


Ja, Mats Hummels ist ein ganz Großer, ich weiß, ich weiß. Schweini, der andere Langsame, zog schließlich auch in den Olymp ein. Hummels hat mir die schönsten Momente als Fußballfan beschert, als er im WM-Finale zusammen mit Jerome Boateng die Argentinier inklusive Lionel Messi wegräumte.
Neun Jahre ist das her, und diesmal schwingt sich Hummels zu finalen Höchstleistungen auf. Siehe Samstag, siehe die meisten der letzten deutschen Länderspiele.
Ich werde nie vergessen, dass er es trotz Abwesenheit geschafft hat, dass ich beim Betrachten der DFB-Abwehrleistungen sehr oft dachte: Ach, hätten wir doch bloß langsamere Abwehrspieler!
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