Leon Goretzka ist ein Nationalspieler der Herzen. Die Leute mögen den Bayern-Profi - weil er bodenständig geblieben ist, weil er klug redet, weil er Politisches einordnet. Und weil er richtig gut kicken kann.
Trotzdem hat ihn Bundestrainer Hansi Flick am Donnerstag aussortiert. Goretzka wurde nicht für die Länderspiele gegen Japan (am 9. September in Wolfsburg) und Frankreich (am 12. September in Dortmund) nominiert.

Flick setzt damit ein Signal: Nur weil ein Nationalspieler zur Elite des Landes gehört, flattert die DFB-Einladung nicht automatisch ins Haus. Die aktuelle Leistung zählt - und die war bei Goretzka zu lange und zu auffällig zu schlecht.
Erstmals in seiner jetzt zweijährigen Amtszeit zeigt Flick die Härte, die man von ihm als Bundestrainer erwartet: Die Besten sollen beim DFB spielen und nicht die mit dem größten Namen. Man nennt das: Leistungsprinzip.
Bisher ging Flick den Weg des geringsten Widerstands. Man macht nichts falsch, wenn man Bayern-Profis nominiert, und die Gegenwehr fällt in der Öffentlichkeit eher gering aus, wenn man auf Rani Khedira von Union Berlin verzichtet.
Union-Manager Oliver Ruhnert war der erste Manager, der Flicks Arbeit mit zweierlei Maß kritisiert hat. Darwinismus ("Survival of the fittest") gehört zu seiner Maxime. Der DFB bot ihm da zu viel Komfortzone.
Flick hat die Botschaft wohl verstanden. Eine Wahl hatte er nicht. Er weiß nur zu gut: Seine Bilanz als Bundestrainer ist desaströs. Nur 12 Siege in 24 Länderspielen, fünf Niederlagen und dazu die WM-Blamage: Trainer fehlen dann Argumente.
Es ist kein Geheimnis, dass ihn weitere Niederlagen wie in der ersten Jahreshälfte seinen DFB-Job kosten würden. Im Sommer 2024 braucht Deutschland bei der Heim-EM eine eingespielte und begeisternde Mannschaft. Kein Stückwerk.

Kein halbes Dutzend Testspiele bleiben Hansi Flick zur Trendwende noch. Für Verständnis und Wohlwollen, für ein "Das wird schon noch" und "Ich weiß, was er kann", hat er keine Zeit. Er musste durchgreifen - sofort und unmissverständlich.
Goretzka ist (wie übrigens Timo Werner auch) seine Musterleiche. Die anderen Nationalspieler wissen jetzt: Mit diesem Bundestrainer ist nicht mehr zu spaßen. Zur Heim-EM will jeder. Aber: Man muss auch einiges mehr dafür leisten.