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Gladbach gegen Real: Magische Nacht ohne Happy End

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Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!

Gestern schrieben wir im Fever Pit'ch Newsletter noch, dass die Super League ein begehrtes Ziel der großen Klubs bleibt. Im Laufe des Tages folgte die Bestätigung: Josep Maria Bartomeu, als Präsident des FC Barcelona zurückgetreten, verkündete die Einigung auf einen gemeinsamen Wettbewerb mit Europas Spitzenvereinen. So schnell kann's gehen.

Einen preußischen Mittwoch wünscht

Euer Pit Gottschalk

Gladbach gegen Real: Magische Nacht ohne Happy End

2:2 in letzter Sekunde! Mönchengladbach darf trotzdem stolz sein

Borussia Mönchengladbach begeistert lange Zeit gegen Real Madrid. In der Schlussphase wird deutlich, was dem Team noch fehlt.

Von Patrick Berger

Wie bitter Fußball doch sein kann!

Die Fans vor den TV-Bildschirmen litten am späten Dienstagabend mit Borussia Mönchengladbach. Die Fohlen leisteten sich im heimischen Borussia Park einen großartigen Kampf gegen die Königlichen von Real Madrid, stehen am Ende aber wie Verlierer da.

"Dieses 2:2 fühlt sich wie eine Niederlage ein", sagte Mittelfeldspieler Christoph Kramer zerknirscht.

Wie wahr!

Sicherer Sieger bis zur 87. Minute

Borussia Mönchengladbach führt lange 2:0 - und vergibt wie in der Vorwoche den Sieg gegen eine Top-Mannschaft in der Schlussphase.

Die Gladbacher können einem als neutraler Fußball-Fan so richtig leidtun. Lange Zeit, 93 Minuten um genau zu sein, schnupperten sie an der historischen Sensation. Doch dann schlugen Karim Benzema und Casemiro binnen sechs Minuten eiskalt zu.

In nur sechs Tagen verspielen die Gladbacher damit in der Königsklasse gegen die Europa-Schwergewichtler Inter Mailand und Real Madrid vier Punkte. Bei Inter führte man bis zur Nachspielzeit auch schon mit 2:1 - bis Romelu Lukaku zuschlug.

"Natürlich ist man enttäuscht, wenn man führt und es nicht über die Zeit bringt", sagte Keeper Yann Sommer. "Wir hatten sie in der Schlinge, konnten es am Ende aber nicht nutzen. Das ist sehr schade."

Stolz dürften die Gladbach-Fans dennoch sein. Vor zehn Jahren hätte wohl kaum ein Anhänger damit gerechnet, dass man nach einem 2:2 gegen Real enttäuscht zu Bett geht. Damals stand der Klub vom Niederrhein nämlich auf dem letzten Platz in der Bundesliga.

Hier die Tabellen der Champions League

Gladbach machte es am Dienstagabend lange Zeit richtig gut gegen das weiße Ballett von Startrainer Zinédine Zidane. Auf der Tribüne im leeren Borussia Park hob auch der frühere Superstar Roberto Carlos, der als TV-Experte arbeitet, anerkennend die Augenbrauen.

Coach Marco Rose gab seiner Mannschaft das perfekte Rüstzeug mit für den großen Auftritt gegen Real. Geduldig sein, mutig sein, frech sein – und nach vorne Nadelstiche setzen. Das klappte auch zwei Mal dank Doppelpacker Marcus Thuram.

Der ganz REALe Albtraum

In letzter Sekunde zerstört Casemiro die Träume der Fohlen – nur 2:2 nach 2:0. Torwart Yann Sommer bei Sky: "Natürlich sind wir enttäuscht."

Am Ende brachen die Fohlen aber ein. SPORT1 fragte Rose nach dem Spiel: Sind ihre Jungs einfach noch zu grün hinter den Ohren für die ganz große Bühne? Die Antwort: "Nein, das lasse ich so nicht stehen. Wir haben in der Summe heute so viel richtig gemacht. Wir haben Real wirklich lange wehgetan. Am Ende brauchst du eben auch das nötige Quäntchen Glück."

Das Glück ist ja bekanntlich auf der Seite der Tüchtigen. Am Dienstag schon könnte sich die Gladbacher Mannschaft endlich belohnen und den ersten Sieg in Kiew gegen Donezk zu holen. Viele Fußball-Fans in Deutschland sind jetzt für Gladbach und werden dem Klub vom Niederrhein nach diesen tollen Auftritten sicher die Daumen drücken.

Ach ja, die Bayern

"Man kann den Sieg ruhig dreckig nennen"

Lokomotive Moskau stellt den FC Bayern vor fast schon ungewohnte Probleme. Beim 2:1-Sieg versäumt es die Elf, Kraft für kommende Aufgaben zu sparen.

Champions League heute im Fernsehen

20.15 Uhr, SPORT1: Fantalk

21 Uhr, DAZN: Manchester United - RB Leipzig

21 Uhr, Sky: Borussia Dortmund - Zenit St. Petersburg

"Sie müssen mich verstehen"

Vor dem zweiten Gruppenspiel in der Champions League streicht Lucien Favre die Stärken des Gegners heraus. Zenit St. Petersburg habe vor einer Woche in Brügge "unnötig verloren". In der Torwartfrage bleibt ddr Trainer ein Geheimniskrämer

Was sonst noch so los ist

"Micky-Maus-Gericht"

Großer Frust bei Türkgücü München: Das Schiedsgericht des BFV hat die Teilnahme des 1. FC Schweinfurt am DFB-Pokal bestätigt - und den Münchnern damit einen juristischen Korb gegeben. Der Drittligist will diese Entscheidung nicht einfach so hinnehmen. Klub-Geschäftsführer Max Kothny teilt mächtig aus.

HSV gegen St. Pauli: Corona-Zittern bis zum Schluss

Noch darf der HSV davon ausgehen, im Stadtderby gegen den FC St. Pauli 1000 Fans im Volksparkstadion begrüßen zu dürfen.

Klopp-Schock: Nächster Verteidiger kaputt

Die Königsklasse am Dienstag: City siegt, Liverpools B-Elf quält sich gegen Dänen, und Atletico dreht die Partie gegen Salzburg.

Fritz Walter, Lautern und das Ende der Tradition

1. FC Kaiserslautern: Auch Außenstände in Würzburg

Während der 1. FC Kaiserslautern im Planinsolvenzverfahren auf einen Schuldenschnitt hoffen darf, schauen andere Klubs, die jüngst noch Geschäfte mit dem Drittligisten machten, in die Röhre. Denn für Janik Bachmann zum Beispiel, den die Pfälzer noch im Sommer 2019 verpflichtet hatten, sind nach Kicker-Recherchen noch weitreichende Forderungen offen.

Von Alex Steudel

Irgendwie lässt mich das Thema Tradition zurzeit nicht los, also kolumnentechnisch. Freitag ging es hier um RB Leipzig, Montag um Schalke. Beide Themen treffen gerade den Nerv einiger Menschen. Ich weiß das, ich war in den letzten Tagen sehr mit einer relativ neuen Sportart beschäftigt: Mehrkampf auf Twitter.

Aber das ist alles nichts gegen Kaiserslautern.

Als ich gestern erfuhr, dass Fritz Walter heute vor 75 Jahren aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte und damit begann, seinen Verein wiederaufzubauen, wurde ich ganz nachdenklich. Der 1. FC Kaiserslautern ist eine Fußballgeschichte mit viel Tradition und wenig Happy End. Der arme Mann muss sich gerade bestimmt täglich mehrmals im Grab herumdrehen.

Morgen läuft das Insolvenzverfahren gegen die Roten Teufel ab: Gläubigerversammlung.

Kaiserslautern ist: Tradition, Titel, Heimat der Weltmeister, siegloser Drittligist. Runtergewirtschaftet. Teams mit kaum erschreckenden Namen wie Verl, Meppen, Zwickau und Bayern II stehen heute vor dem Deutschen Meister von 1951, 1953, 1991 und 1998.

Als ich meine ersten Schritte als Sportredakteur machte, war Kaiserslautern der heiße Scheiß. Im Sommer 1997 kam Trainer Otto Rehhagel mit dem Aufsteiger FCK nach München und besiegte die Bayern am ersten Spieltag 1:0. Naja, ein Ausrutscher, dachten 62999 Augenzeugen plus Ich im Olympiastadion. Beim FC Bayern spielten ja Helden wie Kahn, Matthäus, Basler, Scholl, Elber und Lizarazu. Lautern hatte Reinke, Roos und Schäfer.

Und dann wurde Lautern Meister.

Heute wissen wir: Das war der Anfang vom Ende. Also für Lautern. Der Klub wurde von unzähligen Amateuren derart systematisch runtergerockt, dass man ein Do-It-Not-Yourself-Video draus machen und auf YouTube stellen sollte. Ich kann hier jedenfalls nicht mal im Ansatz alles aufzählen, was schiefgelaufen ist, die Geschiche wäre sogar dem Internet zu lang.

Deshalb in aller Kürze: Alle haben alles falsch gemacht.

Gar nicht lange her, da war der Betzenberg einfach nur furchteinflößend. Ich werde nie vergessen, wie ich da als Reporter hochgestapft bin mit meiner geschulterten Laptoptasche und hinaufschaute und das erleuchtete Stadion sah und sehr beeindruckt war. Vor allem freitagabends, wenn's schon dunkel wurde, hatte der Betze etwas von Monumentalbau und King Kong. Ein Stadion auf der Spitze eines Berges, im grellen Licht stehend, das wirkt unheimlich und vor allem: uneinnehmbar.

Dann diese Stimmung, wenn man reinging. Auf dem Betze hattest du immer das Gefühl, da spielen 11 gegen 38011 plus Stadionsprecher.

Und diese Kälte. Ein Auswärtsspiel im Winter in Kaiserslautern ist die wahre Hölle für jeden Journalisten. Du musst 90 Minuten sitzen, kannst also nicht mal von einem Bein aufs andere springen, und du sollst einen Text tippen, aber deine Finger sind stahlhart gefroren. Und mit Handschuhen geht's ja nicht, sonst läse sich das Ganze danach wie ein Attila-Hildmann-Post.

Ich erinnere mich, wie der Kollege Ralf Wiegand von der "Süddeutschen Zeitung" und ich, damals bei der "Welt", uns einmal während der zweiten Hälfte des Spiels Lautern-FC Bayern ungläubig anschauten und die Köpfe schüttelten. Wir beobachteten dann unsere Beine: Sie hatten sich selbstständig gemacht und schlotterten unkontrolliert vor sich hin.

Und dann das Essen. Ich werde nie vergessen, wie einmal einige Kollegen und ich vor dem Spiel draußen hinter der Tribüne Stadionwürste kauften. Der legendäre Sportjournalist Hartmut Scherzer, heute 82 Jahre alt, stand direkt neben mir, und es entwickelte sich dieser kurze und folgenschwere Dialog:

Ich: "Schmeckt irgendwie anders, diese Wurst."

Scherzer: "Ist ja auch Pferd."

Über Lautern könne ich stundenlang erzählen. Der Klub saugte sogar die Neutralität aus Reportern. Einmal, der FCK hatte gerade ein Tor geschossen, sprang neben mir ein Journalist auf, jubelte und umarmte seine Frau, die er auf die Pressetribüne mitgebracht hatte. Sowas gab's nur dort.

Und dann ging irgendwann alles nur noch schief. Tiefpunkt war für mich der verwirrende Auftritt des Aufsichtsratsvorsitzenden 2002 im Doppelpass: "Wir haben ein Defizit an Durchblick", sagte Robert Wieschemann über die Arbeit der FCK-Führung.

Heute hat der Klub ein Defizit an allem. Dabei hatte er die Weltmeister von '54, er hatte Miro Klose, König Otto, Brehme, Kuntz, Ballack. Er hätte alles haben können, und er hat doch nichts daraus gemacht. Lautern, Elfter der ewigen Bundesligatabelle, ist hirntot und wird künstlich beatmet.

Wenn Fritz Walter das wüsste.

Der Weltmeister-Kapitän wäre übrigens am Samstag 100 Jahre alt geworden. Er hat mal gesagt: "Nur was man aufgibt, hat man verloren."

Ich fürchte, Lautern ist verloren.

Alle mal herschauen!

Martin Harnik: Aus der Maschinerie in die Oberliga

Der Ex-Bundesligaprofi lässt jetzt seine Laufbahn bei den Amteuren ausklingen. Er erzählt, was ihn am Profigeschäft gestört hat und welches Standbein er sich aufbaut. "Die Maschinerie hat sich negativ auf meine Psyche ausgewirkt"

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