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Führungschaos beim BVB: Wer hat eigentlich das Sagen?

Der Streit um Kaderplaner Sven Mislintat offenbart die große Schwäche bei Borussia Dortmund: Die Machtfrage ist nach dem Ausbau der Geschäftsführung ungeklärt.

Foto: Getty / Ina Fassbender (OF)

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Schon mal den Namen Christian Kullmann gehört? Er ist 55 Jahre alt, in Gelsenkirchen geboren und qua Amt der mächtigste Mann bei Borussia Dortmund. Ja, richtig gelesen. Nicht Watzke, nicht Kehl, nicht Ricken und nicht Rauball: Kullmann ist seit 2021 Vorsitzender des Aufsichtsrats und beaufsichtigt per Definition alles, was die Geschäftsführung beim BVB treibt.

In der Praxis hört die Öffentlichkeit nichts von ihm. Er ist im Hauptberuf Vorstandsvorsitzender beim BVB-Sponsor Evonik und sitzt im BVB-Aufsichtsrat, weil ein börsennotiertes Unternehmen wie Borussia Dortmund so ein Gremium zwingend besetzen muss. Er mag eine herausgehobene Position im Klub bekleiden. Ob er beim BVB etwas zu sagen hat, ist damit nicht geklärt.

Seine Erwähnung ist trotzdem wichtig, weil beim BVB der Teufel los, seit Sven Mislintat, der Kaderplaner, seinen Kompetenzbereich angeblich überschritten hat. Er stritt, wie man so liest, mit dem neuen Geschäftsführer Lars Ricken und dem alten Sportchef Sebastian Kehl um die Besetzung der Mannschaft. Wenn die Machtfrage geklärt wäre, gäbe es keinen Streit.

Man schaut aber ziemlich doof in die Wäsche, wenn man Einblick in das Machtgefüge nimmt. Denn dass Hans-Joachim Watzke als erfahrener Geschäftsführer nicht mitredet, ist schwerlich vorstellbar. Und wenn sein Name fällt, fällt ein zweiter gleich mit: Matthias Sammer. Er als Berater sitzt ja auch am Tisch der Häuptlinge, wenn die großen Themen zur Sprache kommen.

Jetzt mal durchzählen: Kullmann, Ricken, Kehl, Mislintat, Watzke, Sammer und im Hintergrund Finanzchef Thomas Treß und Marketingchef Carsten Cramer in der Teppichabteilung - bei der Machtfrage, wer das Sagen beim BVB hat, wird’s schnell unübersichtlich. Der Volksmund sagt dazu: Zu viele Köche verderben den Brei. Hat Borussia Dortmund zu viel Chefköche?

Eine Fußballweisheit diktierte das Erfolgsrezept für den Profifußball: Bei erfolgreichen Vereinen haben immer genau drei Leute das Sagen - der Trainer, der Manager und der Chef vom Ganzen. Man kann das in der Bundesliga beobachten: Wann immer mehr als drei Funktionärsträger mitreden, bricht Kakophonie aus. Vielstimmigkeit ist aber das Letzte, was einem Verein guttut.

Dass Mislintat nicht nur beratend beim BVB arbeiten möchte, sondern Gestalter sein will, kann man aus seiner vorherigen Tätigkeit beim VfB Stuttgart sehr gut herleiten. Dort hat er maßgeblich eine Mannschaft aufgebaut, die Vizemeister wurde und in der neuen Saison Champions League spielt. Der Erfolg von gestern legt jedoch nicht woanders die Jobbeschreibung von heute fest.

Offenbar ist die Zuständigkeit nicht abschließend für alle Beteiligten in der Chefetage geklärt. Auch dafür hat der Volksmund einen Begriff geprägt: Führungschaos. Bisschen liebevoller: Jeder macht, was er will, keiner, was er soll, aber alle machen mit. Jetzt müsste der Aufsichtsrat beim BVB für Ordnung sorgen. Aber von ihm kommt öffentlich - nichts.

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