Das Erfolgsgeheimnis von Union Berlin

Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!

Die Politik hat gestern entschieden, dass der persönliche Bewegungsradius auf 15 Kilometer beschränkt wird. Der Bundesliga kommt die Verordnung sehr entgegen: Fußballprofis legen in 90 Spielminuten selten eine längere Strecke zurück. Im Ernst: Wir können wohl davon ausgehen, dass der Ball weiterhin rollt. Dass gleichzeitig Schulen und Kindergärten ihre Pforten schließen und damit ihren Bildungsauftrag limitieren, ist aktuell der Widerspruch, den Deutschland erlebt und offenbar aushalten muss.

Man argumentiert von Vereins- und Verbandsseite dann gerne mit der Bubble, die den Fußballzirkus, wenn er neun Mal am Wochenende seine Zelte aufstellt, vom richtigen Leben abgrenzt. Wie die Begegnung mit der Realität in Pandemie-Zeiten verhindert wird, wenn zum Beispiel ein Torjäger mal eben zum Trophäen-Empfang nach Dubai jettet (Lewandowski), bleibt eines dieser Geheimnisse 2020/21. Die Premier League in England meldete gestern 40 neue Corona-Infektionen in einer Woche.

Natürlich, die Spieler werden regelmäßig getestet, damit die Gefahr einer Ausbreitung sinkt. Der Maßnahmenkatalog ist umfang- und hilfreich. Aber genau das behaupteten Gastronomie, Einzelhandel und Tourismus ja auch, als sie zumachen mussten: dass alles getan wurde, was notwendig war. Man fragt sich: Woher stammen dann die dauerhaft hohen Infektionszahlen? Die Bundesliga fühlt, wie der öffentliche Druck erneut steigt, den Spielbetrieb auszusetzen. Dem steht die Frage entgegen: Wem wäre damit geholfen?

Die Verzweiflung bei den Bundesliga-Klubs über das drohende Aus ist mit Händen zu greifen. Das billigste Argument wäre jetzt zu sagen: Wenn wir nicht spielen, droht dem Verein die Pleite. Die Urangst erleben andere Branchen auch, die keine Vorsorge treffen konnten. Die Pandemie nimmt keine Rücksicht auf Fußballhistorie. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Was haben andere Branchen davon, wenn die eine, die alle finanziellen Mittel hat, sich vor Ansteckung und Ausbreitung zu schützen, ebenso pausiert?

Die Bundesliga könnte noch viel offensiver argumentieren und sagen: Wir sind neben Playstation und Netflix ein weiterer guter Grund, dass Menschen zu Hause bleiben und fernsehen. In der ersten Schrecksekunde ist dieser Gedanke ein Schlag in das Gesicht von jenen, die Symbolpolitik einfordern und den Fußball als das sehen, was er ist: eine Nebensache. (Vermutlich die wichtigste der Welt, aber eben genau das: eine Nebensache.) In der Coronakrise gibt es aber kein Richtig und kein Falsch mehr.

Dem Profifußball in Deutschland muss man zugute halten, dass er alles an Hygiene-Konzepten umgesetzt hat, die einerseits sinnvoll und andererseits angemessen sind. Ein Zusammenhang zwischen Infektionszahlen und der Fortführung des Spielbetriebs ist - bei allem Laiensachverstand - nicht zu ersehen. Niemand drängt zum Beispiel die Politik, Zuschauer im Stadion zu erlauben. Was den Bundesliga-Machern manchmal abgeht, ist womöglich eine Empathie, die über das Bejammern der eigenen Situation hinausgeht.

Millionen von Menschen bangen um ihre Jobs. Eltern wissen nicht, wie sie Beruf und Familie vereinbaren sollen. Die Jungen sind, solange der Impfstoff nicht flächendeckend verteilt ist, in Sorge um die Gesundheit der Alten. In so einer Gefühlswelt will man nicht hören, dass beim geliebten Verein der erhoffte Sensationstransfer ausbleibt oder man dem Starspieler keine halbe Million vom Gehalt abziehen kann. Mehr Sensibilität fürs große Ganze könnte helfen, dass mehr Leute dem Fußball jedes einzelne Spiel gönnen.

Einen dreifaltigen Mittwoch wünscht

Euer Pit Gottschalk

Das Erfolgsgeheimnis von Union Berlin

Statistisch so gut wie in der Bundesliga-Tabelle

Es ist unklar, was ein ambitionierteres Saisonziel Union bringen würde, aber die Leistungen rechtfertigen weiterhin den Platz in der Bundesliga-Tabelle.

Von Alex Steudel

Wenn jemand unerwarteten Erfolg hat, möchte ich immer gleich wissen, woher das kommt. Ich glaube nicht an Zufälle. Ich stelle mir im Zweifel quälende Fragen. Wieso habe ich es nicht kommen sehen? Ist da ein Trick, den ich mir zunutze machen könnte? Als ich mal Chefredakteur von Fit for Fun war, habe ich zum Beispiel gelernt, dass sich vieles zum Besseren wendet, wenn man morgens die Zähne mit der anderen Hand putzt und dabei auf einem Bein steht. Oder nach dem Aufstehen ein Glas lauwarmes Wasser mit frisch gepresster Zitrone trinkt.

Ich bin bei Union Berlin auf nichts Derartiges gestoßen. Dabei legt der Aufsteiger von 2019 eine sensationelle Saison hin. Kein Mensch hatte Union auf dem Zettel, geschweige denn auf Platz fünf. Dort hätte man sich eher Hertha BSC vorstellen können. Der Lokalrivale besitzt eine Einzugsermächtigung von Investor Lars Windhorst, was den Klub zu einer Art Fort Knox der Liga macht. Union ist die Kreissparkasse.

Windhorst hatte schon mit 16 mehr Erfolg als die Hertha in ihren 128 Jahren Vereinsgeschichte zusammen. Aber Erfolg ist nicht ansteckend. Oder doch? Union hat Trainer Urs Fischer. Der könnte am Samstag mit den Eisernen auf einen Champions-League-Platz springen. Hertha dagegen steht in der Tabelle da, wo Hertha immer steht: Irgendwo da hinten. Nur neuerdings halt mit Geld statt ohne.

Was macht dieser Trainer Fischer anders? Eine schnelle Google-Recherche (Union und Berlin und Erfolgsgeheimnis) führte gestern zu einem Artikel der Berliner Morgenpost mit der Überschrift "Union Berlins Erfolgsgeheimnis ist der schnelle Start", in dem die Rede davon ist, dass Urs Fischer seine Spieler bedrängt, schnell ein Tor zu schießen.

"In Bremen war es das achte Mal, dass Union ein Tor in den ersten 15 Spielminuten erzielte, keiner anderen Mannschaft gelangen mehr Tore in der Anfangsviertelstunde", steht in der Morgenpost. Keine Silbe über Zähneputzen.

Hertha und die Sponsoren: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Hertha BSC will sein Potenzial bei der Sponsorensuche voll ausschöpfen und hofft dabei auf die Unterstützung der Mannschaft.

Schnelle Tore sind ein komisches Erfolgsrezept. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die 17 Bundesliga-Kollegen von Urs Fischer von diesem Rezept auch schon mal gehört haben. Ich glaube nicht, dass Hertha-Trainer Bruno Labbadia seine Mannschaft vor dem Anpfiff anfleht: "Leute, lasst mir bloß das Toreschießen in der Anfangsviertelstunde!"

Urs Fischer scheint etwas zu haben, das ich nicht verstehe. Unwahrscheinlich ist, dass sein neuer Ruhm damit zusammenhängt, dass er bescheiden ist und gern angelt, wie ich dem Tagesspiegel entnommen habe. Miro Klose ist zum Beispiel auch bescheiden und angelt gern und wurde so bester WM-Torschütze der Geschichte. Allerdings traf er eben gern auch nach der Anfangsviertelstunde.

Vielleicht hat der Erfolg von Union Berlin einfach nur damit zu tun, dass Urs Fischer ein Schweizer ist. Schweizer sind bescheiden und freundlich und uns Deutschen daher manchmal rätselhaft; vor allem, wenn sie Trainer sind und einem den Fußball erklären wollen. Bei Urs Fischer macht das aber irgendwie den Unterschied. Er kriegt das hin. Manchmal frage ich mich, ob die Dortmunder vielleicht einfach nur den falschen Schweizer hatten.

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Trainer Bruno Labbadia warf Flasche nach Hertha-Profi Cunha

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18.30 Uhr, Sky: 2. Liga, Würzburg - FC St. Pauli

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