Das Ajax-Drama: Beste Werbung für eine Super League

Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!

Das ZDF wollte das Finale der Champions League am 1. Juni übertragen und musste nun sein Bedauern darüber veröffentlichen, dass die Begegnung des FC Liverpool gegen Tottenham Hotspur "nicht im Free-TV" zu sehen sein wird. So bedauerlich die Entscheidung für die Zuschauer ohne Sky- oder DAZN-Abonnement sein mag: In der ZDF-Haltung stecken zwei Fehler.

Erstens: ARD und ZDF sind kein Free-TV, sondern werden monatlich mit einer Zwangsgebühr von 17,50 Euro entlohnt. Man nennt das: Paid Content und nicht Free-TV. Zweitens: Wenn man schon diese Zwangsgebühr kassiert und sich dem öffentlichen Informationsbedürfnis verpflichtet fühlt, ist es eine Frechheit, sich allein um die letzte Rosine am Saisonende zu bemühen.

Die Bundesliga hatte zu Saisonbeginn vier Teams am Start, darunter drei reichweitenstarke Klubs aus dem Ruhrgebiet und dem Süden. Den Fans hätte man mithilfe ihrer Gebühren zwei Dutzend Gruppenspiele plus K.o.-System bieten können. Das wollte man nicht und das Geld lieber in Spielshows, Talkrunden und Was-weiß-ich stecken. Dafür gibt es sicherlich gute Gründe. Aber dann sollte man hinterher den Schwarzen Peter nicht DAZN zuspielen, dass dort offenbar ein Veto den Deal verhinderte. Nein, die Übertragung vom Klopp-Finale hat das ZDF schon selbst verbockt.

RTL machte ARD und ZDF diese Saison ja vor, wie man die kleine Schwester Europa League im Zusammenspiel mit dem Ableger Nitro spannend inszeniert. Heute am Donnerstag wird RTL belohnt: Das Halbfinal-Rückspiel von Eintracht Frankfurt beim FC Chelsea wird vermutlich eine Rekordquote erzielen und die Übertragung aus London viele Fans glücklich machen.

Einen weitsichtigen Donnerstag wünscht

Euer Pit Gottschalk

Das Ajax-Drama: Beste Werbung für eine Super League

3:2! Tottenham statt Ajax Amsterdam im Finale gegen Liverpool

Das England-Finale ist perfekt: Tottenham Hotspur schlägt Ajax Amsterdam in einem spektakulären Halbfinal-Rückspiel mit 3:2 (0:2) und trifft jetzt im Endspiel der Champions League auf den FC Liverpool. Das entscheidende Tor fiel spät in der Nachspielzeit - und krönte ein wunderbares Fußballspiel.

Wer wissen wollte, wohin der Fußball der Zukunft seine Entwicklung nimmt, musste nur die beiden Halbfinal-Rückspiele in der Champions League sehen. Keine der beiden Mannschaften, die ins Endspiel am 1. Juni in Madrid einziehen, konnte ihren Stürmerstar im entscheidenden Spiel aufbieten. Weder der FC Liverpool beim 4:0 gegen den FC Barcelona noch Tottenham Hotspur gestern Abend beim 3:2 bei Ajax Amsterdam.

Trotzdem drehten beide Teams kraft ihres Willens die schlechte Vorgabe aus dem Hinspiel: der FC Liverpool das 0:3 von Barcelona, Tottenham Hotspur das 0:1 aus dem Heimspiel. Für die Bundesliga ist das ein schlechtes Signal. Die Premier League lädt nicht nur zum ersten Mal seit 2008 zu einem rein englischen Finale in der Königsklasse. Nun wird den Deutschen auch noch genommen, was hierzulande als typisch deutsche Mentalität gilt.

Ajax Amsterdam erwacht aus dem Rausch

Amsterdam führt 2:0 gegen Tottenham, hat das Finale schon vor Augen. Dann verliert die junge Mannschaft die Kontrolle.

Die Lineker-Weisheit vom Spiel, das am Ende immer die Deutschen gewinnen, verliert ihre Berechtigung. Es sind Gary Linekers Engländer, die einen fast demütigenden Rückstand aufholen können. Der einzige Trost bleibt, dass Jürgen Klopp der Trainer beim FC Liverpool ist und sein Verteidiger Joel Matip aus dem Ruhrgebiet stammt. Ansonsten hat das Land des viermaligen Weltmeisters nichts mit dem Duell der Champions zu tun.

Tempo, Taktik, Teamgeist: Man konnte sich während der Halbfinalspiele gar nicht vorstellen, dass irgendeine Bundesliga-Mannschaft, nicht einmal der FC Bayern, hätte mithalten können. Zwei packende Fußballspiele, die nicht nur Spannung bieten, sondern Rasanz und Fairness statt Meckerei und Pyro, fesseln die Deutschen auch deshalb, weil es um den Kern des Sports ging und nicht um die Selbstinszenierung von Profis und sogenannten Fans.

Monatelang wird in Deutschland über Lappalien wie Montagsspiele gestritten, als hätte man nichts Wichtigeres zu diskutieren. Spielsysteme, Jugendausbildung, Akademie-Aufbau, Klub-Organisation: Es gibt so viele Themen, wo im deutschen Fußball Weichen gestellt werden müssten. Stattdessen lässt man zu, dass Funktionäre die realitätsferne Spielform "Funino" für Kinder durchsetzen können. Es ist ein Jammer.

Die TV-Zuschauer sind nicht blöd. Die sehen auch, dass die Bundesliga nicht bietet, was diese Woche auf den Spielfeldern in Liverpool und Amsterdam stattgefunden hat. Eine bessere Werbung für die Super League, so umstritten sie ist, konnten Sky und DAZN nicht senden. Die Bundesliga findet keine Antworten auf Rudelbildungen und Pyro-Idioten. Man streitet nicht für besseren Fußball, sondern aktuell: um den Videobeweis.

Im Video: Wie Lucas Moura das Siegtor erzielte

Lucas Moura schießt Tottenham in das Finale der Champions League. Seinen dritten Treffer gibt es hier im Video.

Man kann das wahlweise belustigend oder bedauerlich finden. Tatsache ist: Der große Fußball findet ohne Deutschland statt. Der Verweis auf Real Madrid oder Juventus, auf PSG oder ManCity, die ebenfalls frühzeitig scheiterten, klingt nicht tröstlich. Eher nach: Wir sind nicht besser. Nicht einmal der überraschende Siegeszug von Eintracht Frankfurt in der Europa League ändert die Faktenlage: International ist die Bundesliga Mittelmaß.

Ein mangelhaftes Produkt führt aber zwangsläufig zu Verdruss. Schon jetzt besuchen zu viele Dauerkartenbesitzer nicht mehr alle 17 Heimspiele ihrer Mannschaft, sondern suchen sich die Spiele aus, die ein wenig Unterhaltung bieten: Die Spitzenspiele halt, wie man sie in einer Super League mit den besten Mannschaften ständig geboten bekäme.

FC Liverpool feiert Jürgen Klopp

Ein Mann für den Ausnahmezustand

Jürgen Klopp hat mit dem 4:0 gegen Barca wieder einmal für eine Überraschung gesorgt. Er schafft es, dass seine Spieler für ihn bis zum Umfallen laufen.

Motivationsrede vor dem Wunder von Anfield

Sogar einer der größten Kritiker singt Lobeshymnen. Ein Spieler verrät, was Jürgen Klopp vor dem Wunder in der Kabine sagte.

Die Insel ist hingerissen

Nein, das royale Baby wird nicht "Jürgen" heißen. Aber England erklärt Klopp kurzer Hand zum Nationalhelden.

Balljunge ist heimlicher Held der Wunder-Ecke

Das Wunder von Anfield gelingt, weil ein Balljunge an der Werbebande auf Zack ist. Sein Name: Oakley Cannonier.

Europa League heute im Fernsehen

21 Uhr, RTL: Halbfinal-Rückspiel, FC Chelsea - Eintracht Frankfurt

21 Uhr, DAZN: Halbfinal-Rückspiel, FC Valencia - FC Arsenal

Der große Auftritt von Eintracht Frankfurt

Gelingt das Wunder an der Stamford Bridge?

Eintracht Frankfurt will am Donnerstagabend Geschichte schreiben und erstmals seit 1980 in ein Europacup-Finale einziehen. Die Mannschaft muss ein 1:1 aus dem Hinspiel verteidigen. Der FC Liverpool soll als leuchtendes Vorbild herhalten.

Von Alexander Sarter und Nicolas Reimer

London begrüßte die Eintracht typisch britisch. Tiefhängende Wolken, Dauerregen, lausige acht Grad - mehr hatte die englische Hauptstadt am Mittwoch nicht zu bieten. Doch weder die meteorologische noch die sportliche Tristesse sollen die Frankfurter auf ihrer Mission stoppen. "Wir werden alles geben, um das Wunder zu schaffen", sagte Sportvorstand Fredi Bobic vor dem Halbfinal-Rückspiel der Europa League gegen Chelsea.

Das 1:6 vom Sonntag in der Bundesliga bei Bayer Leverkusen, die zurückliegenden vier Pflichtspiele ohne Sieg, der Kräfteverschleiß nach 47 Partien in dieser Spielzeit - all das möchte der Pokalsieger, der sich im Hinspiel ein 1:1 gegen den sechsmaligen englischen Meister erkämpft hatte, einfach ignorieren. "Wir bleiben positiv und dürfen jetzt nicht alles infrage stellen", äußerte Bobic, dessen Klub den größten Erfolg seit dem Triumph im UEFA-Cup 1980 anstrebt: "Wir spielen eine überragende Saison."

Der Einzug ins Finale am 29. Mai in Baku wäre die Krönung der Spielzeit. Und obwohl die Hessen als klarer Außenseiter in die Begegnung mit dem Champions-League-Sieger von 2012 gehen, versprüht der Trainer Zuversicht. "Wenn man soweit kommt, dann möchte man ins Finale - dazu brauchen wir das perfekte Spiel", betonte Adi Hütter, der sich ein Beispiel am famosen Erfolg des FC Liverpool im Halbfinale der Königsklasse nehmen will: "Vielleicht wäre es tatsächlich ein Wunder, wenn wir es schaffen. Liverpool hat gezeigt, was es heißt, wenn man an etwas glaubt."

Die Hoffnungen Hütters ruhen unter anderem auf Ante Rebic. Der kroatische Vize-Weltmeister, der im Hinspiel gesperrt war, soll den Europa-League-Sieger von 2013 überraschen. "Ante wird uns sicherlich guttun, mit seiner Wucht, seiner Dynamik, seiner Schnelligkeit", sagte Hütter, der zudem auf eine Rückkehr des seit Wochen wegen einer Bauchmuskelverletzung fehlenden Sturmtanks Sebastien Haller hofft: "Er könnte eventuell ein Thema sein."

Ein großes Thema ist für die Frankfurter, die von 2300 mitgereisten Fans an der Stamford Bridge unterstützt werden, auch nach wie vor die Qualifikation für die Champions League. Der vierte Platz in der Liga, auf dem die Eintracht derzeit rangiert, würde reichen. Der Triumph in der Europa League garantiert ebenfalls den Startplatz für die Gruppenphase. "Wir haben es immer noch in der eigenen Hand, unsere Ziele zu erreichen", betonte Hütter. Und Torwart Kevin Trapp ist sich sicher: "Wir können Geschichte schreiben."

Beim Blick auf die Finanzen kann am Donnerstag allerdings nur Chelsea der Sieger sein. Die Eintracht, die in der laufenden Europacup-Saison mehr als 30 Millionen Euro umgesetzt hat, machte in der zurückliegenden Spielzeit einen Umsatz von 128 Millionen. Bei den Londonern, die seit der Übernahme durch Roman Abramowitsch vor 16 Jahren zwei Milliarden Euro in neue Spieler investiert haben, waren es 505,7 Millionen.

Rund 60 Millionen könnte der Eintracht ein Verkauf von Luka Jovic einbringen. Doch die Gerüchte über einen Wechsel des serbischen Senkrechtstarters zum spanischen Rekordmeister Real Madrid sollen die Vorbereitung auf Chelsea nicht stören. "Von Real hat sich keiner gemeldet", sagte Bobic: "Wenn sich jemand meldet, müssen wir schauen."

Alexander Sarter und Nicolas Reimer sind Redakteure beim SID.

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